Über 30.000 Unterschriften gegen umstrittene Reformpläne aus dem Bundesgesundheitsministerium binnen weniger Tage
Resolution der Apothekerschaft nimmt bundesweit Fahrt auf - Gutachten stuft Teile des Gesetzesvorhabens als verfassungswidrig ein - Massive Rückendeckung der CDU
Offenbach am Main - Freitag, 05.07.2024

Bereits über 30.000 Menschen in der Bundesrepublik fordern die Bundesregierung mit ihrer Unterschrift dazu auf, in der entscheidenden Kabinettsitzung am 17. Juli 2024 die umstrittene Apothekenreform aus dem Bundesgesundheitsministerium zurückzuweisen. Und stündlich werden es mehr Bürgerinnen und Bürger, die unter www.openpetition.de/apothekenreform dafür unterzeichnen, dass sich das Bundeskabinett für deutliche Überarbeitungen des Gesetzesentwurfs ausspricht, die sowohl die Patientensicherheit als auch die Stärkung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die öffentlichen Apotheken gleichermaßen berücksichtigen. Der Hessische Apothekerverband (HAV) hatte die Resolution am 1. Juli gestartet, mittlerweile haben sich zahlreiche Landesapothekerverbände und Kammern angeschlossen. In vielen öffentlichen Apotheken liegen zudem entsprechende Unterschriftenlisten aus.

 

Rückendeckung bekam die Apothekerschaft diese Woche unter anderem erneut von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein und der hessischen CDU, die die Apothekenreform ablehnt und diese Ablehnung nach Berlin tragen will. Am heutigen Freitag wurde zudem ein Gutachten des Kölner Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. Stephan Rixen bekannt, laut dem Teile der geplanten Reform verfassungswidrig sind. Rixen ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Staatsrecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Universität zu Köln und dort Leiter der Forschungsstelle für das Recht des Gesundheitswesens.

 

„Ich bin überwältigt von der großen Resonanz auf unsere Unterschriftensammlung und dankbar für die hohe Solidarität der Patientinnen und Patienten. Sie haben erkannt, dass die vom Bundesgesundheitsministerium geplanten Apotheken ohne Apotheker einen Systemwechsel bedeuten. Die Bürgerinnen und Bürger verstehen, dass dieses unsägliche Reformvorhaben am Ende nicht die Gesundheit der Menschen und die Arzneimittelsicherheit stärkt, sondern Apotheken als vertraute Anlaufstelle mit kompetenter Beratung und umfassenden Gesundheitsdienstleistungen zu reinen Abgabestellen für Medikamente degradiert“, so HAV-Vorsitzender Holger Seyfarth am Freitag in Wiesbaden. Die Resolution der Apothekerschaft sei auch deshalb so wichtig, weil sie allen Politikerinnen und Politikern - auch innerhalb der Ampelkoalition - den Rücken stärke, die sich gerade massiv für das Patientenwohl und gegen das umstrittene Reformvorhaben engagieren.

 

Dass binnen weniger Tage das interne Quorum der renommierten Plattform OpenPetition von 30.000 gültigen Unterschriften erreicht worden ist, ist ein wichtiger Meilenstein - denn auch das stärkt Bürgerschaft, Verbänden und Politik weiter den Rücken: OpenPetition wird nun bei allen Bundestagsabgeordneten Stellungnahmen zur geplanten Reform anfordern, die dann auch auf der Plattform veröffentlicht werden. „Wir sind gespannt, welches Meinungsbild aus dem Bundestag dann abgebildet wird“, freut sich Holger Seyfarth auf die Stellungnahmen der Abgeordneten. 

 

Die Unterschriftensammlung läuft derweil ungebremst weiter; Patientinnen und Patienten, die lieber auf Papier unterschreiben möchten, finden entsprechende Unterschriftenlisten in den öffentlichen Apotheken in ganz Deutschland. „Wir sind gerade erst am Anfang unserer Bemühungen und Protestmaßnahmen, dieses Gesetzesvorhaben zu stoppen. Bereits nächste Woche stehen weitere Gespräche mit wichtigen Politikerinnen und Politikern auf Landes- und Bundesebene an. Die wachsende Anzahl von Unterschriften besorgter Bürgerinnen und Bürger nehmen wir als Rückenwind mit in diese wichtigen Treffen“, kündigt Holger Seyfarth an.

 

Die Resolution „Gegen das geplante Apothekenreformgesetz - keine Apotheken ohne Apotheker“

In der Resolution heißt es: „Voraussichtlich am 17. Juli 2024 beschließt die Bundesregierung über einen vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgelegten Entwurf einer Apothekenreform, der für die Menschen in der Bundesrepublik massive Einschnitte in der sicheren und flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch die öffentliche Apotheke vor Ort mit sich bringt. So plant das BMG, künftig auf die Kompetenz von Apothekerinnen und Apothekern in der Apotheke zu verzichten, Leistungen und Öffnungszeiten einzuschränken und das bewährte System der wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch die aktuell noch rund 17.500 öffentlichen Apotheken einem radikalen Systemwechsel zu unterziehen.“

Das, so der HAV-Vorsitzende Holger Seyfarth, hat gravierende Auswirkungen auf die Patientensicherheit, eine funktionierende Arzneimitteltherapie und den Leistungsumfang durch die öffentlichen Apotheken. Wie diese Auswirkungen ganz konkret aussehen, steht ebenfalls in der Resolution an die Bundesregierung:

  • Studierte Apothekerinnen und Apotheker mit ihrer pharmazeutischen Kompetenz für Beratungsleistungen und Kontrollfunktionen sollen künftig nur noch acht Stunden pro Woche in einer Apotheke anwesend sein müssen. Das Bundesgesundheitsministerium nimmt den Patientinnen und Patienten damit wertvolle, vertraute und kompetente Ansprechpartner für ihr höchstes Gut: ihre Gesundheit.
  • Apothekenleistungen wie beispielsweise die Abgabe von starken Schmerzmitteln (Betäubungsmittel), das Erkennen von Einnahmeproblemen, Medikationsanalysen, die Herstellung von Arzneimitteln vor Ort (Rezepturen) oder Impfungen fallen in den Zeiten, in denen keine Apothekerin oder kein Apotheker anwesend ist, entweder komplett weg oder sind nur noch nach einer Terminvereinbarung erhältlich, um die sich die Patientinnen und Patienten künftig nach dem Willen des Bundesgesundheitsministeriums offenkundig selbst kümmern müssen.
  • Die Wegnahme der pharmazeutischen Kompetenz aus den Apothekenbetrieben wird dazu führen, dass die Apotheken vom kompetenten Gesundheitsdienstleister zur reinen Abgabestelle für Arzneimittel degradiert werden. Die bis heute hohe Qualität in der wohnortnahen Arzneimittelversorgung, also die Daseinsfürsorge, wird somit als zweitrangig eingestuft. Die hochwertige und sichere Versorgung mit Medikamenten wird zugunsten der Ökonomisierung geopfert, weil die Inhaberinnen und Inhaber ihre Betriebe künftig maximal wirtschaftlich optimieren müssen. Auch für Menschen in strukturschwachen Regionen wird dieser Qualitätsverlust zur Gefahr, die schnell in einer Zwei-Klassen-Versorgung mündet.
  • Das Apothekensterben wird sich noch weiter beschleunigen und sowohl in den Städten als auch in ländlichen Regionen massiv zunehmen. Denn das Bundesgesundheitsministerium versäumt es, mit seinem Reformvorhaben endlich für eine nachhaltige wirtschaftliche Stärkung der öffentlichen Apotheken und deren gesetzlich verankertem Versorgungsauftrag zu sorgen.

Dieser Seiteninhalt wurde erstellt am 05.07.2024. Letzte Änderung am 05.07.2024.