Jetzt erst recht! Unter diesem Motto steht nach Bekanntwerden der zerstörerischen Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zur Zukunft der öffentlichen Apotheken der Protesttag der hessischen Apotheker am kommenden Montag, 2. Oktober. Dann schließen nahezu alle Apotheken in Hessen, um auf ihre unverändert prekäre Situation aufmerksam zu machen. Die Apothekerschaft und ihre Mitarbeiterteams - auch aus benachbarten Bundesländern - versammeln sich ab 11 Uhr auf dem Opernplatz in Frankfurt am Main, wo um 12 Uhr eine zentrale Kundgebung beginnt, unter anderem mit Rednerinnen und Rednern aus Bundestag und Landtag. Dazu erwartet der Hessische Apothekerverband (HAV) wieder mehrere tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Unterstützung erfährt die Apothekerschaft unter anderem von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein. Er betont: „Gerade mit Blick auf die nahende Grippesaison brauchen die Apothekerinnen und Apotheker in Hessen unsere volle Unterstützung und Solidarität. Nur mit ihrem persönlichen Einsatz, großer Flexibilität und der Nähe zu den Patienten lindern sie aktuell die Folgen der Versorgungsengpässe bei Medikamenten und Arzneimitteln. Ihr erheblicher Mehraufwand bei hoher Inflation und teurer Energie muss angemessen vergütet werden.“
Wie die demokratischen Parteien zu den Forderungen der Apothekerschaft stehen, dazu nehmen als Rednerinnen und Redner bei der zentralen HAV-Kundgebung vor der Alten Oper unter anderem die CDU-Fraktionsvorsitzende Ines Claus, die Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen), die Ärztin Stefanie Minkley (SPD), der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion Yanki Pürsün, sein CDU-Kollege Dr. Ralf-Norbert Bartelt und die Landesvorsitzende von Die Linke, Christiane Böhm, Stellung.
Wie mehrfach berichtet kämpfen die Apotheken weiter für eine wohnortnahe Arzneimittelversorgung und eine dafür angemessene Vergütung, die in den vergangenen 20 Jahren trotz Inflation, gestiegener Mieten und Energiepreise sowie Tariferhöhungen keine nennenswerte Anpassung erfuhr. Derzeit schließen aufgrund von Kostendruck und Fachkräftemangel bundesweit so viele Apotheken wie noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik.
Davon bleibt auch Hessen nicht verschont: Hier sank die Zahl der öffentlichen Apotheken von 1.412 zum Stichtag 31. Dezember 2021 auf 1.367 zum 30. Juni 2023. Zum Vergleich: Am Stichtag 31. Dezember 2016 waren es hessenweit noch 1.502 Apotheken. Aktuell hat Hessen nur noch 21 Apotheken pro 100.000 Einwohner und selbst diesen Durchschnitt erreicht noch nicht einmal jeder zweite Landkreis in Hessen. „Für viele junge Kolleginnen und Kollegen ist es schlichtweg nicht mehr eine sinnhafte berufliche Perspektive, eine Apotheke als Inhaber zu übernehmen, ohne dass die dafür notwendigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfüllt sind“, nennt HAV-Vorsitzender Holger Seyfarth einen der Hauptgründe für das anhaltende Apothekensterben. Wie groß hier der Handlungsbedarf sei, zeige ein Blick in die Altersstatistik der hessischen Apothekeninhaber: Jeder vierte Apothekeninhaber ist zwischen 60 und 69 Jahre alt - und sogar 6 Prozent sind über 70 und älter.
Holger Seyfarth betont: „Eine wirtschaftlich attraktive Situation der Apotheken ist wegen der mangelnden Balance zwischen der seit zwei Jahrzehnten nahezu unveränderten Vergütung von aktuell 8,35 Euro und des immens steigenden Kostendrucks im selben Zeitraum einfach nicht mehr gegeben“. Hinzu kommen laut HAV die unverändert anhaltenden Lieferengpässe von weit über 700 Medikamenten, eine überbordende Bürokratie und politisch Verantwortliche in Berlin, die in keinster Weise einen Willen zu nachhaltigen Problemlösungen erkennen ließen. Weil sich daran auch nach dem bundesweiten Protesttag am 14. Juni 2023 nichts geändert habe, gelte es nun den Druck weiter zu erhöhen, so der HAV-Vorsitzende mit Blick auf den 2. Oktober: „Unser aller Hauptaufgabe besteht nun darin, die flächendeckende Arzneimittelversorgung auch für die Zukunft nachhaltig sicherzustellen. Das gelingt uns nur im Schulterschluss und in Geschlossenheit. Wir müssen uns weiter klar und engagiert für wirtschaftliche, politische und berufsständische Rahmenbedingungen einsetzen, die junge Kolleginnen und Kollegen wieder dazu motivieren, eine öffentliche Apotheke zu übernehmen.“
Die Arzneimittelversorgung am 2. Oktober ist durch die Notdienstapotheken sichergestellt, kündigt der HAV an.
Dieser Seiteninhalt wurde erstellt am 29.09.2023. Letzte Änderung am 05.10.2023.