Hessische Apotheker schlagen Alarm: ALBVVG wirkt nicht, Politik muss umgehend nachbessern!
Offenbach am Main - Donnerstag, 12.09.2024

„Die öffentlichen Apotheken können wegen massiver Lieferengpässe und unzureichender politischer Maßnahmen nicht mehr in vollem Umfang ihrem hoheitlichen Auftrag nachkommen, die Menschen in Deutschland mit Arzneimitteln zu versorgen.“ Mit diesem Alarmruf hat Vorsitzender Holger Seyfarth, Apotheker aus Frankfurt am Main, heute in der Jahreshauptversammlung des Hessischen Apothekerverbandes die anhaltende kritische Versorgungssituation bei lebenswichtigen verschreibungspflichtigen Medikamenten in den Fokus gerückt. „Die Konsequenzen für die Patientenversorgung sind gravierend, die Verantwortung für diese unhaltbare Situation liegt bei der Politik“, betonte der Verbandschef und formulierte drei umgehend umzusetzende Forderungen an das Bundesgesundheitsministerium (BMG), die der HAV Anfang der Woche auch an das BMG adressiert hat. Die klare Botschaft an die Verantwortlichen im Ministerium: „Wir fordern Sie eindringlich auf, unverzüglich zielführende Maßnahmen zu ergreifen, um die flächendeckende und kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen“.

 

Hintergrund sind die seit Jahren anhaltenden Lieferengpässe bei hunderten von Medikamenten, darunter Insuline, Antibiotika und Krebsmedikamente. „Wir hörten in den letzten 24 Monaten immer nur Lippenbekenntnisse aus Berlin, doch die Situation verschärft sich zusehends“, betonte Holger Seyfarth in der heutigen Verbandsversammlung. Deshalb unterbreite die hessische Apothekerschaft eigene Vorschläge auf Basis ihrer Expertise und fordere ein umgehendes Ende des Preisdiktats bei Rabattverträgen zwischen Herstellern und Krankenkassen, die bislang so gestaltet sind, dass vordergründig der günstigste Preis, nicht aber die Versorgung mit Arzneimitteln in ausreichender Menge an oberster Stelle steht. Zudem fordert der HAV ein staatlich überwachtes System zur frühzeitigen Erkennung von Liefergenpässen sowie umfangreiche logistische und finanzielle Unterstützung bei der Bevorratung von kritischen verschreibungspflichtigen Medikamenten in den Apotheken vor Ort.

Nachfolgend das Schreiben des Hessischen Apothekerverbandes an die Verantwortlichen des Bundesgesundheitsministeriums im Wortlaut:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Hessischer Apothekerverband wenden wir uns mit größter Dringlichkeit an Sie, um auf einen immer noch bestehenden schwerwiegenden Missstand aufmerksam zu machen, der die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in unserem Land gefährdet. Die Apotheken sind durch ihren hoheitlichen Auftrag verpflichtet, die Menschen mit den notwendigen Arzneimitteln zu versorgen. Doch die Realität zeigt, dass wir diesem Auftrag aufgrund massiver Lieferengpässe und unzureichender politischer Maßnahmen nicht mehr in vollem Umfang nachkommen können.

Die Versorgungssituation ist kritisch – Engpässe bei lebenswichtigen Medikamenten, insbesondere verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, sind nach wie vor an der Tagesordnung. Unsere Apotheken stehen täglich vor der Herausforderung, Patienten die benötigten Arzneimittel nicht mehr rechtzeitig oder gar nicht mehr bereitstellen zu können. Die Konsequenzen für die Patientenversorgung sind gravierend, und die Verantwortung für diese unhaltbare Situation liegt bei der Politik.

Wir fordern Sie eindringlich auf, unverzüglich zielführende Maßnahmen zu ergreifen, um die flächendeckende und kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen!

Die Krankenkassen müssen verpflichtet werden, ihre Rabattverträge so zu gestalten, dass Versorgungssicherheit an oberster Stelle steht. Es darf nicht länger ausschließlich der günstigste Preis entscheidend sein, sondern auch die Verfügbarkeit der Medikamente. Eine Mindestbevorratung und eine Diversifizierung der Lieferanten müssen in allen Rabattverträgen zwingend berücksichtigt werden.
Die Transparenz der Lieferketten muss erhöht werden. Ein staatlich überwachtes System zur frühzeitigen Erkennung von Engpässen ist unabdingbar. Die aktuellen Lagerbestände wichtiger Arzneimittel müssen für die relevanten Marktteilnehmer einsehbar sein, um bei drohenden Engpässen sofort reagieren zu können.
Apotheken müssen in die Lage versetzt werden, strategische Vorräte anzulegen, insbesondere bei kritischen, verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Es ist Aufgabe des Staates, hier finanzielle Unterstützung zu leisten und geeignete gesetzliche Regelungen zu schaffen, damit Apotheken ihrer Verantwortung nachkommen können.
 

Es ist völlig inakzeptabel, dass die Menschen in unserem Land nicht mit den notwendigen Medikamenten versorgt werden können. Die Politik ist hier in der Pflicht, umgehend geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Missstand zu beseitigen. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die Gesundheitsversorgung durch politisches Versagen weiter ausgehöhlt wird. Handeln Sie jetzt, bevor es zu spät ist!

Vielen Dank für eine Eingangsbestätigung dieser Mail und einer kurzen Antwort, wie es jetzt weitergeht.

Mit besorgten und dringenden Grüßen,

Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes

Dieser Seiteninhalt wurde erstellt am 12.09.2024. Letzte Änderung am 22.10.2024.